LiebesGeld – Vortrag von Michael Mary

Bericht | von Ruth Dieckmann | Veröffentlicht

Geld spielt in der Liebe von Anfang an eine Rolle, aber es besteht eine Art Tabu, darüber zu sprechen. Ein Tabu mit Folgen, denn Geld ist das Konfliktthema Nr. 1 in Paarbeziehungen.

Mit Michael Mary haben wir einen ausgesprochenen Experten zum Thema »Geld in Paarbeziehungen« eingeladen: Er arbeitet seit 35 Jahren als Paar-, Single- und Individualberater in Hamburg. Für den NDR und den SWR führte er Paarberatungssendungen durch. Zu seinem 2016 erschienenen Buch »LiebesGeld« betreibt er auch einen Blog.

Michael Marys Vortrag fand am 11. Mai 2017 als Teil unseres Jubiläumsprogramms im voll besetzten Lehel-Carré statt.

Warum ist es so schwierig, in Beziehungen über Geld zu sprechen?

Geld, so Michael Mary, ist in die Welt gekommen, um Geschäfte zwischen Fremden zu ermöglichen. Es erscheint unpersönlich und kalt. Paare fürchten, ihre Liebesbeziehung mit Gesprächen über so etwas Profanes zu beschädigen und vermeiden das Thema. Aber gerade aufgrund dieser Tabuisierung wird Geld zum entscheidenden Konfliktpunkt in Partnerschaften.

Michael Mary rät Paaren daher, ihre Scheu zu überwinden und über Geld zu sprechen, und zwar möglichst früh. Damit die Kommunikation gelingen kann, ist es wichtig, zunächst die Zusammenhänge zwischen Liebe und Geld zu verstehen. 

Drei Liebesbereiche

Michael Mary unterscheidet drei Liebesbereiche, die in einem langen historischen Prozess entstanden seien und bis heute in Paarbeziehungen fortbestünden:

Den ersten Liebesbereich, bereits in der Zeit der Jäger und Sammler entstanden, bezeichnet Mary als »partnerschaftliche Bindung«. Sie ist eine Bedürfnis- und Überlebensgemeinschaft: Paare bewältigen den Lebensalltag gemeinsam.

Der zweite Liebesbereich entstand in der Moderne mit den Konzepten der Individualität und Romantik. Es ist die »freundschaftliche Bindung«. Die Partner stehen sich wohlwollend gegenüber und unterstützen sich gegenseitig in ihrer persönlichen Entwicklung. 

In der Gegenwart steht die »emotional-leidenschaftliche Bindung« zunehmend im Vordergrund. »Lieb' mich, wie ich bin«, ist der grundlegende Wunsch. Paare wenden sich einander uneingeschränkt zu und öffnen sich einander.

Jeder Liebesbereich hat seine eigene Logik

Im partnerschaftlichen Bereich verhandeln die Paare, wer welchen Beitrag zum gemeinsamen Projekt der Ehe oder Lebensgemeinschaft leistet. Ziel ist der Ausgleich der Leistungen. Es werden Verträge geschlossen, oft auch stillschweigend. Die Einhaltung der Verträge kann eingefordert werden. Michael Mary nennt die partnerschaftliche Logik auch eine Tausch- oder Verhandlungslogik.

Für den freundschaftlichen Bereich gilt laut Mary hingegen eine Teilhabelogik. Die freundschaftliche Liebe zeigt sich in guten Taten, die man dem Partner zuliebe tut. Es geht um ein ausgeglichenes Geben und Nehmen. Die freundschaftliche Unterstützung seines Partners kann man nicht einfordern, man kann sie jedoch erwarten.

Wieder anders gestaltet sich die Logik der emotional-leidenschaftlichen Liebe: Sie ist eine Schenklogik. Paare schenken einander innerliche Zuwendung und Bestätigung – und vielleicht auch Materielles als Ausdruck ihrer Liebe, aber immer bedingungslos und vollkommen freiwillig. Solche Geschenke kann man weder fordern noch erwarten, sondern allenfalls ersehnen.

Drei Arten Geld

In Beziehungen ist Geld nicht gleich Geld, so Michael Mary. Je nachdem, in welchem Beziehungsbereich man sich bewegt, handelt es sich um »Partnergeld«, »Freundesgeld« oder »Liebesgeld«. Mary macht sein Konzept noch intuitiver erfassbar, indem er den Geldarten Temperaturen zuordnet.

Kaltes Geld, also reines Geschäftsgeld, kommt laut Mary in Beziehungen nicht vor. Mit Geschäftsgeld regeln Fremde ihre Geschäfte. Ein entsprechend kalter Umgang mit Geld würde Liebespartner von einander entfremden.

Partnergeld ist laut Mary kühles Geld. Es dient dem Leistungsausgleich, mit den jeweils eigenen Interessen im Blick. Man kann darüber verhandeln, Verträge schließen und ihre Einhaltung einfordern.

Freundesgeld ist warmes Geld. Es wird dem Partner zuliebe gegeben. Man kann konkrete Abmachungen darüber treffen und erwarten, dass diese eingehalten werden.

Liebesgeld ist heißes Geld. Es wird als Ausdruck von Liebe geschenkt. Verträge oder Abmachungen sind im Zusammenhang mit Liebesgeld unsinnig. Liebesgeld kann nur ersehnt werden.

»Schräger« und »gerader« Umgang mit Geld

Mit dem Schema der drei Liebesbereiche, Verhaltenslogiken und Geldarten lässt sich gut nachvollziehen, warum wir manches Verhalten im Zusammenhang mit Geld in Beziehungen als schräg oder unangebracht, anderes hingegen als stimmig empfinden.

Eines von vielen Beispielen Michael Marys für »schräges« Geld-Verhalten sei hier zitiert:

Ein Paar möchte eine Familie gründen und heiratet deshalb. Das Thema Kind rückt näher, und die Frau möchte die Angelegenheit mit ihrem Mann besprechen. Da er mehr verdient, hält er es für selbstverständlich, dass sie sich die ersten Jahre um ein Kind kümmert und er weiterhin das Geld für die Familie verdient. Die Frau zögert und wendet ein: »Und was ist mit meinem Job? Ich verzichte dann auf gute Karrierechancen.« Der Mann antwortet empört: »Wir lieben uns doch, wir wollen eine Familie gründen, und du hast deine Karriere im Kopf. Jeder gibt, was er hat!« Die Frau schweigt, das erste Kind kommt, dann ein zweites, sie pausiert insgesamt acht Jahre in ihrem Job. Als die beiden sich nach 12 Jahren Ehe scheiden lassen, findet zwar der gesetzliche Zugewinnausgleich statt, aber beruflich und vom Einkommen her steht die Frau wesentlich schlechter da als ihr Mann. Einer Freundin sagt sie nach der Scheidung: »Irgendwie hat mir die Regelung schon damals einen Stich gegeben. Ich hätte unter diesen Bedingungen keine Kinder mit ihm in die Welt setzen sollen.«

Michael Mary: Liebes Geld. Vom letzten Tabu in Paarbeziehungen, S. 121.

Der Umgang mit Geld in einer Beziehung ist laut Michael Mary immer dann schräg, wenn er nicht der Logik des Liebesbereichs entspricht, zu dem das spezifische Geld-Thema eigentlich gehört. In dem zitierten Beispiel argumentierte der Mann mit der emotional-leidenschaftlichen Liebe, anstatt eine faire, partnerschaftliche Regelung zu treffen.

Wie hätte dieses Debakel verhindert werden können? Das Thema des gemeinsamen Familienprojekts gehört in den Bereich der partnerschaftlichen Liebe. Hier werden sinnvollerweise Verträge mit dem Ziel des Leistungsausgleichs ausgehandelt. Mit selbstlosem Schenken hat dieses spezifische Geld-Thema, auch und gerade innerhalb einer Liebesbeziehung, nichts zu tun. Wenn sich beide Partner dessen bewusst sind, dann erscheint es nicht als lieblos, einen Ausgleich für die »geldwerten Leistungen« Hausarbeit und Kinderbetreuung einzufordern.

Über Geld reden, ohne die Liebe zu beschädigen

Um sich konstruktiv mit Geld-Themen auseinanderzusetzen, sollten Paare laut Mary zunächst definieren, um welche Art Geld es sich handelt: Reden wir von Partnerschaftsgeld, Freundschaftsgeld oder Liebesgeld? Welche Verhaltenslogik passt zu diesem Thema? Sollten wir verhandeln, Abmachungen treffen oder einander Wünsche und Sehnsüchte offenbaren?

Das klingt einfacher, als es ist. Insbesondere, so Mary, weil jeder einzelne mit Geld unterschiedliche individuelle Bedeutungen verknüpft, die berücksichtigt sein wollen, wenn zwei Liebende über Geld reden.

Immerhin entspannen bereits gemeinsame Überlegungen darüber, von welcher Art Geld eigentlich die Rede ist, das Diskussionsklima zwischen den Partnern. Das Schema, das Michael Mary mit seinem Buch ausführt, soll Paare darüber hinaus in die Lage versetzen, relativ schnell Lösungen zu finden, zu formulieren und, im partnerschaftlichen Bereich, sogar vertraglich festzulegen.

Nicht einfach, aber notwendig

Einfach ist die Auseinandersetzung mit Geld in Liebesbeziehungen zumeist nicht. Wir haben uns schon viel zu sehr an das Tabu gewöhnt. Michael Mary versucht, es aufzubrechen. Sein Schema ist ebenso praxisnah wie komplex. Wer es sich zu eigen machen will, sollte daher durchaus zu Marys Buch greifen, das viele anschauliche Beispiele enthält.

Wer in der Liebe über Geld redet, geht ein Risiko ein: Er könnte unbequeme Erkenntnisse über seine Beziehung gewinnen. Über Geld reden schließt außerdem oft ein, die Beziehung vom Ende her zu denken. Auch davor schrecken Paare zurück. Aber, so mein Michael Mary: »Es ist dumm, das nicht zu tun.« Wenn die Liebesbeziehung gut ist, dann kann man auch über Geld reden. Es gehört dazu.

 

Quellen:

Der Artikel stützt sich auf den Vortrag von Michael Mary am 11.05.2017 im Rahmen des Jubiläumsprogramms von frau & geld sowie auf Michael Marys Buch »Liebesgeld« (2016, Piper, € 20,-).

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